Boisson, der Laden für alkoholfreie Alternativen, teilte am 5. April 2024 mit, dass er alle physischen Standorte in den USA schließt. Der Online-Store und der Großhandel sollen umstrukturiert werden. Der ehemalige Mitgründer Barrie Arnold sammelt währenddessen neues Investementgeld ein, um seine Vision von alkoholfreien Shops zu verwirklichen und launcht bardelia. Er möchte nicht nur alkoholfreie Getränke verkaufen, sondern einen Platz für die Community schaffen.

Boisson – was bisher geschah

Die Idee für Boisson entstand während der Corona-Pandemie. Nick Bodkins und Barrie Arnold erkannten im Dry January das Potenzial und eröffneten 2021 den ersten Boisson Store in New York: Ein Laden, der nur alkoholfreie Alternativen vertreibt. Vorbild dafür war, ebenfalls in New York, Spirited Away, Amerikas erster alkoholfreier Laden.

Im August 2022 sammelte Boisson US $12 Millionen von Investoren ein, im September 2023 folgten US $5 Millionen Überbrückungsfinanzierung. Mitgründer Arnold verließ 2023 das Unternehmen.

Boisson wuchs von Anfang an schnell. Man eröffnete weitere Stores in New York, es folgten welche in Los Angeles, einer in San Francisco und kürzlich in Miami. Boisson baute natürlich auch das Online-Segment und den Großhandel aus. Alles so weit, so gut.

Dann die Überraschung: Nachdem erste Gerüchte rumgingen, dass Boisson Rechnungen nicht bezahlte, wurde Ende März vom Online Magazin SNAXSHOT berichtet, dass ein Boisson Mitarbeiter über eine Schließung getwittert hat. Der Tweet wurde natürlich gelöscht und Boisson hüllte sich in Schweigen. Eine Woche später, letzten Freitag, kam dann das Statement, das besagt, dass Boisson alle Stores schließt und der Online-Handel und der Großhandel umstrukturiert werden.

Ist das Interesse an alkoholfreien Alternativen vielleicht doch nicht so groß?

Die Nachfrage für alkoholfreie Alternativen steigt. Laut IWSR ist der Verkauf von non- und low-alcoholic Getränken 2022 um 7 % auf US $11 Milliarden gestiegen. Nicht zuletzt, da, je nachdem, wem man zuhört, 80 bis 90 % der Personen, die alkoholfreie Alternativen kaufen, auch weiterhin noch (gelegentlich) Alkohol trinken.
Es sind also nicht nur die Schwangeren, die den Alkohol stehen lassen… Die Zielgruppe ist viel größer als die meisten denken.

Denn viele stellen fest, dass sie Alkohol nicht mehr so gut vertragen wie früher, wollen nicht hung-over sein oder sich abends nicht abschießen. Sie trinken dann zwar weiter z. B. ein Bier, wechseln aber dann auf alkoholfreies Bier, oder trinken unter der Woche alkoholfrei und feiern am Wochenende mit Alkohol. Jede/r entscheidet anders, wie er/sie weniger trinkt. Hinzukommt, dass GenZ generell weniger Alkohol trinkt.

Neuer alkoholfreier Store kommt vom ehemaligen Boisson-Co-Founder

Barrie Arnold, der Mitgründer, der Boisson 2023 verlassen hat, lud im März 2024 zu einem Fundraising Info Event in San Francisco ein. Dort verkündete er, dass er plant, ebenfalls einen Handel für alkoholfreie Alternativen zu eröffnen: bardelia. Arnold erklärte, dass er mit bardelia nicht nur alkoholfreie Alternativen verkaufen wolle, sondern auch einen Platz für die Community schaffen wollte.

Screenshot bardelia
Ex-Mitgründer von Boisson Barrie Arnold launcht Shop für alkoholfreie Alternativen: bardelia, Image: Screenshot bardelia

Zurück zu Boisson.

Wie wurden die Boisson-Locations gescoutet

Wie Arnold berichtete, suchte man bei Boisson gezielt in Gegenden mit Personen, die Familien planten oder bereits kleine Kinder hatten.

In San Francisco war diese Ecke Hayes Valley. Die Definition passt also im Prinzip ganz gut.

Einige Stores waren aber auch komplett anders, z. B. der in Williamsburg (NY), der eine jüngere Zielgruppe fokussierte.

So oder so: Boisson schließt alle Läden.

Konkurrenz zu alkoholfrei-only Läden

Alkoholfrei-only Läden tauchen derzeit überall auf, jedoch nicht als Kette, sondern als lokaler Einzelhandel.

Die Inhalber/innen von alkoholfreien Läden, mit denen ich bisher gesprochen habe, sagten alle (nicht direkt, aber durch die Blume), dass es nicht einfach sei. Natürlich ist die Nachfrage da, aber es braucht eben doch einiges, bis Personal, Miete & Co. bezahlt sind.

Natürlich hat Boisson mehr Kapital als viele der kleineren Läden, aber eben auch einen riesigen Kostenapparat zu unterhalten. Am Ende scheint sich der Offline-Verkauf nicht gelohnt zu haben. Oder: Vielleicht war es eine (teure) Baustelle zu viel: Launch in 2021 – jetzt ist 2024: In drei Jahren B2C und B2B, online und offline hochzuziehen ist schon ambitioniert. Da ich die Zahlen nicht kenne, möchte ich den Raum zur Überlegung lassen, dass sich Boisson ausgerechnet hat, dass die anderen Geschäftssparten sich auf lange Zeit anders auszahlen könnten. – Möglich.

Ein weiterer Grund: Alkoholfreie Alternativen bekommt man, besonders in Kalifornien, aber auch in anderen US-Bundesstaaten, mittlerweile häufig in Supermärkten oder Weinhandlungen. Die US-Supermarkt(-und-alles-Store)-Kette TARGET hat jüngst einen Deal mit dem Alkoholfrei-Store Sèchey unterschrieben. Dadurch sind jetzt alkoholfreie Alternativen wie Ghia, Bella Hadid’s Kin Euphorics, Surely, Katy Perry’s De Soi, Starla, Free AF, Mingle, Edna’s und Mocktail Club in allen TARGET Filialen, die die Lizenz haben, Alkohol zu vertreiben, erhältlich.

Auch Weinhändler und Liquor Stores haben verstanden, dass alkoholfreie Alternativen über Wasser und Cola hinaus zum guten Ton gehören und für nicht wenig Geld verkauft werden können. Darum bieten sie oft mehrere alkoholfreie Alternativen an. Ein besonders schönes Beispiel dafür war PlumpJack’s Wine & Spirits und ihr wunderbar schönes Schaufenster (Regenschirme & Co, Tenor: Stay dry!) ebenfalls aus San Francisco (siehe Foto).

Soll heißen: Wer alkoholfreie Alternativen sucht, muss nicht mehr notgedrungen in Läden gehen, die nur diese anbieten.


Natürlich bieten Alkoholfrei-only Läden mehr Auswahl an und haben auch immer was zum Probieren da. Aber fährt man dafür jedes Mal durch die halbe Stadt?

Bardelia mit erweitertem Store-Concept

„Wir schließen Offline und fokussieren uns auf Online“ hörten wir zuletzt in Deutschland von Nüchtern.Berlin, dem alkoholfreien Späti, der seinen Shop in Hamburg wieder schloss, und die geplanten in München und Berlin-Charlottenburg gar nicht erst öffnete.

Ich bin gespannt, wie sich der ehemalige Boisson Co-Founder mit bardelia auf dem Markt positioniert. Er bringt Erfahrung, Kontakte und Insights mit, die vielen anderen, die in dem Bereich gerade starten, fehlen. Das gibt ihm einen Vorsprung.

Und: Sich auf Community-Events zu fokussieren, sieht für mich nach einer schlauen Idee aus. In den USA gibt es eigene Apps, die nur Events und Aktivitäten für sober-curious-interessierte Personen posten.

Folgendes gilt nicht nur für alkoholfreie Alternativen: Innenstädte und das Einkaufsverhalten ändern sich. Viele kaufen gerne online: Eine riesige Auswahl und es wird bequem nach Hause geliefert. Wer physische Läden füllen möchte, muss einkaufen zum Erlebnis machen. Community-Events, eine alkoholfreie Bar, Get-Togethers und das Gefühlt der Zusammengehörigkeit könnten dafür der Schlüssel sein.

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Seit September 2022 hat sich der Blick ins Glas verändert und Felicitas trinkt sich nur noch alkoholfrei durch die Regale. Was schmeckt wie und warum? Was tut sich in der alkoholfreien Industrie und wie geht es weiter? Und wie sieht es in anderen Ländern aus? Felicitas versucht diese Fragen zu beantworten.

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